Vertreter von SPD, Grünen und Linken haben empört auf den Rückzug der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf von ihrer Kandidatur als Richterin für das Bundesverfassungsgericht reagiert – und auf den Druck aus der Union, mit dem sie ihren Schritt begründet.
“Die SPD hat immer zu dieser exzellenten Kandidatin gestanden. Diejenigen, die am Ende nicht zu ihrem Wort innerhalb der Koalition gestanden haben, müssen dringend aufarbeiten, was da passiert ist”, sagte SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil. “So ein Vorfall darf sich nicht wiederholen”, fügte er hinzu. Es sei nicht tragbar, was die Juristin an Anfeindungen habe erleben müssen. Ihren Rückzug bedauere er, respektiere aber die Entscheidung dazu.
SPD-Chefin und Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas schloss sich der Forderung ihres Amtskollegen an: “Ich finde, das muss die Union noch mal für sich aufarbeiten”, sagte sie dem Spiegel. Es mache ihr große Sorgen, “dass rechte Netzwerke es wirklich geschafft haben, eine Kampagne gegen Frauke Brosius-Gersdorf zu führen. Wenn es so ist, dass eine Richterwahl beeinflusst werden kann, dann haben wir ein Drawback”, sagte Bas
Brosius-Gersdorf hatte zuvor ihren Verzicht auf die Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht erklärt. In einer von ihren Anwälten verbreiteten Stellungnahme teilte sie mit, ihr sei von der Unionsfraktion signalisiert worden, dass ihre Wahl ausgeschlossen sei. Sie verzichte auf die Kandidatur, um die Wahl der beiden anderen Kandidaten für die insgesamt drei zu vergebenden Posten an dem Karlsruher Gericht nicht zu gefährden. Dabei kritisierte sie, dass die Unionsfraktion einer Diffamierungskampagne gegen sie aufgesessen sei.
Dem schloss sich auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der
SPD-Fraktion, Dirk Wiese, an. Die Union habe sich “hinter angeblichen Plagiatsvorwürfen versteckt und
damit gezielten Desinformationskampagnen von rechter Seite Tür und Tor
geöffnet”, sagte er dem Spiegel. “Für die Zukunft sei es
klar gesagt: Wir sind eine Koalition, wir stimmen gemeinsam ab. Auf
Zusagen muss man sich verlassen können”, sagte Wiese. Personalfragen seien “keine
Gewissensentscheidungen”.
SPD kündigt neue Kandidatin an, Spahn hofft auf “gemeinsame Lösung”
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch machte ebenfalls die Union für den Rückzug der Juristin verantwortlich. “Nicht einmal ein persönliches Gespräch mit der Kandidatin wurde von der
Unionsfraktion ermöglicht. Auch das hinterlässt Spuren”, kritisierte Miersch und kündigte an, die SPD werde “einen neuen Vorschlag für eine geeignete Besetzung unterbreiten, weiterhin mit klarer Orientierung an fachlicher Exzellenz.”
Unionsfraktionschef Jens Spahn sagte, er wolle das weitere Vorgehen mit der SPD besprechen. “Ich bedauere, dass diese Lage auch durch die zu späte Ansprache unserer inhaltlichen Bedenken entstehen konnte”, sagte der CDU-Politiker. “Nun werden wir mit der nötigen Ruhe und Sorgfalt eine gemeinsame Lösung mit unserem Koalitionspartner finden.”
Weiter sagte Spahn, der Entscheidung von Brosius-Gersdorf gelte “größter Respekt”. Die Juristin genieße “zurecht hohe Anerkennung” für ihre Fachkompetenz.” Der Unionsfraktionschef distanzierte sich zudem von Anfeindungen gegen die gescheiterte Kandidatin: “Jenseits der sachlichen Auseinandersetzung gab es herabsetzende und beleidigende Kritik, die Frau Prof. Brosius-Gersdorf in den letzten Wochen erdulden musste. Diese verurteilen wir ausdrücklich”, sagte Spahn.
Linke und Grüne kritisieren Unionsfraktion und Spahn
Linke und Grüne schlossen sich der Kritik Brosius-Gersdorfs und der SPD an der Union an. “Es ist kein gutes Zeichen für den Zustand unserer Demokratie, dass die rechte Hetzkampagne schlussendlich Erfolg hatte”, sagte die Linken-Innenpolitikerin Clara Bünger. Brosius-Gersdorf sei persönlich attackiert und ihre wissenschaftliche Arbeit in den Dreck gezogen worden. Durch “das Verhalten der Unionsfraktion und ihrem Vorsitzenden Jens Spahn” sei das Bundesverfassungsgericht beschädigt worden.
Die Grünen sprachen von einem “ungeheuerlichen Vorgang”, den es “so noch nicht gegeben hat”. Die drei Richterkandidaturen seien innerhalb der Koalition abgesprochen worden, teilten die Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann mit. “Es ist absolut inakzeptabel, dass die CDU-Fraktion ihre Unterstützung zurückgezogen hat und eine Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf jetzt kategorisch ablehnt.” Die Verantwortung dafür trage “insbesondere Jens Spahn als Fraktionsvorsitzender. Spahn hatte sein Wort gegeben und kann dies nicht mehr halten”.
Der Wahlausschuss des Bundestages, dem Abgeordnete aller Fraktionen angehören, hatte der Kandidatur von Brosius-Gersdorf und zweier weiterer Richterkandidaten zugestimmt. Allerdings scheiterte die Wahl am Widerstand von Unionsabgeordneten gegen Brosius-Gersdorf, die sich somit nicht nur gegen ihren Koalitionspartner, sondern die eigene Fraktionsführung durchgesetzt hatten.
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